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Raumfahrt

Generationen im Vakuum der Zeit

Ein O’Neill-Zylinder als Heimat auf dem Weg zu fernen Sternen – kühn, technisch umstritten und menschlich fragil. Eine Reise, die mehr verlangt als Technologie.

In den 1970er Jahren entwarf der US-amerikanische Physiker Gerard K. O‘Neill eine Vision, die Science-Fiction-Autoren bis heute inspiriert: gigantische rotierende Zylinder im Weltraum, groß genug für Millionen von Menschen. Diese O‘Neill-Zylinder sollten als selbstversorgende Weltraumstädte fungieren.

Heute, über 50 Jahre später, diskutieren Visionäre wie Jeff Bezos ernsthaft über solche Strukturen als Lösung für die wachsende Weltbevölkerung und als Sprungbrett zu den Sternen. Doch hinter der technischen Faszination verbirgt sich eine fundamentale Frage: Ist die Menschheit bereit für ein Leben jenseits der Erde?

Die Grundidee eines O‘Neill-Zylinders ist bestechend elegant: Ein rotierender Zylinder von mehreren Kilometern Durchmesser und bis zu 32 Kilometern Länge würde durch seine Rotation eine erdähnliche Schwerkraft an der Innenwand erzeugen. Große Spiegel würden Sonnenlicht ins Innere lenken und so natürliche Beleuchtung schaffen. Diese Weltraumhabitate wären vollständig autark – eine schwimmende Zivilisation im kosmischen Ozean. Doch zwischen Vision und Realität liegen monumentale Herausforderungen, die weit über technische Probleme hinausgehen.

Ein O‘Neill-Zylinder wäre nicht nur ein Bauwerk, sondern ein komplexes Ökosystem, in dem Technik, Biologie und menschliche Gesellschaft in perfekter Balance stehen müssten. Jeder Fehler könnte katastrophal sein, jeder Konflikt existenziell bedrohlich.

Technische Herkulesaufgaben: Zwischen Physik und Utopie

Die technischen Herausforderungen beim Bau eines O’Neill-Zylinders sind atemberaubend komplex. Es müssten Millionen von Tonnen Stahl, Aluminium und anderer Werkstoffe ins All transportiert oder vor Ort gewonnen werden. O’Neill selbst schlug vor, die Materialien mithilfe eines Magnetkatapults vom Mond zu gewinnen – eine Technologie, die selbst heute noch nicht existiert.

Die strukturelle Integrität stellt ein weiteres monumentales Problem dar. Ein rotierender Zylinder dieser Größe würde enormen Zentrifugalkräften ausgesetzt sein. Die Wandstärke müsste präzise berechnet werden, um sowohl dem Innendruck der Atmosphäre als auch den Rotationskräften standzuhalten. Könnte der O’Neill-Zylinder eines Tages dennoch Realität werden. In der August-Ausgabe des Space-Magazins widmen wir uns einigen spannenden aktuellen Raumschiff-Konzepten und blicken dabei auch auf das O’Neill-Konzept.

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